Gegen den Bildungskampf

Dohmen: Akademisierungswahn-Debatte ist fehlgeleitet

Der Direktor des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie Dieter Dohmen hält die Diskussion über die Überakademisierung in Deutschland für grundsätzlich falsch. Dass dennoch seit langem darüber diskutiert wird, liegt in seinen Augen an der falschen Interpretation der aktuellen Zahlen. Seines Erachtens nach brauchen wir mehr Auszubildende, mehr Akademiker und mehr dual Studierende. Wie das möglich sein soll, erklärte er kürzlich in einem Kommentar und einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur.

 

Dohmen sieht das Problem darin, dass vorübergehende Rekordzahlen bei den Studienanfängern falsch interpretiert werden. Außerdem solle man diese Zahlen nicht instrumentalisieren, um mit ihrer Hilfe für die duale Ausbildung werben. „Dass die Unternehmen große Schwierigkeiten haben, Auszubildende zu finden, liegt nicht daran, dass so viele studieren, sondern daran, dass wir zwanzig Prozent der jungen Menschen aus den Schulen entlassen, ohne dass sie richtig rechnen, lesen und schreiben können.", so Dohmen in dem Interview mit Deutschlandradio Kultur.
 
Die Rekordzahlen bei den Erstsemestern in den letzten Jahren sind besonderen Umständen geschuldet und dürfen nicht falsch ausgelegt werden. „Wir hatten die doppelten Abiturjahrgänge, wir hatten die Aussetzung von Wehr- und Zivildienst. Die Zahlen werden sich nach unserer Prognose nicht fortsetzen.“, erklärt Dohmen. Die Öffentlichkeitsarbeit für die duale Berufsausbildung dürfe nicht auf dem Rücken des Studiums ausgetragen werden. Schließlich werde auch hier der Bedarf in Zukunft immer weiter steigen. „Wir brauchen mehr Akademiker, bis zum Jahr 2030 allein drei Millionen insgesamt. Das heißt, pro Jahr brauchen wir 100.000 Akademiker mehr, als den Arbeitsmarkt als Akademiker verlassen.“, rechnet Dohmen vor. Es könne demnach nicht die Lösung sein, potenzielle Studierende zu einer Ausbildung zu überreden.
 
Auch in einem Kommentar, der über den Informationsdienst Wissenschaft erschienen ist, zeigt Dohmen nochmal das in seinen Augen wirkliche Problem auf. „Die Frage darf also nicht lauten, mehr Studis oder mehr Azubis? Sondern sie muss lauten: wie sorgen wir dafür, dass der Anteil von 20 Prozent funktionalen Analphabeten (...) erheblich reduziert wird, damit die Betriebe wieder mehr Azubis einstellen können?“, fragt er in dem Text. Den Berechnungen seines Instituts zufolge, sei dafür eine Steigerung der Bildungsausgaben von circa 50 Milliarden Euro pro Jahr nötig. Das gesamte Interview kannst Du auf dieser Seite nochmal nachlesen.
 


Tags: Berufsausbildung, Erstsemester, Bildung, Überakademisierung, Dieter Dohmen, Sozialökonomie, Akademisierungswahn, Deutschland, Bildungskampf, IDW, Deutschlandradio Kultur
Quelle: https://idw-online.de/; http://www.deutschlandradiokultur.de/
Autor: Dennis Prumbaum

Kommentare

    Dein Kommentar